Von webin auf Sonntag, 12. Februar 2023
Kategorie: WEBISCRIPT - Wissenschaft & Lehre

Schwarmintelligenz | Handeln wir klüger, wenn wir uns zusammenschließen?

Schwarmintelligenz bezeichnet ein Konzept biologisch inspirierter künstlicher Intelligenz, welches auf dem kollektiven Verhalten sozialer Kolonien basiert. Es geht dabei um dezentrale, selbstorganisierte Systeme (z. B. einen Bienenschwarm, eine Ameisenkolonie, einen Vogelschwarm), die sich schnell und koordiniert bewegen können. Als Gruppe können einfache Lebewesen, welche einfachen Regeln folgen, in ihrer Gesamtheit ein hohes Maß an Komplexität und Kreativität zeigen. Einfach ausgedrückt könnte man Schwarmintelligenz als die Fähigkeit eines Kollektivs zu sinnvoll erscheinendem Verhalten bezeichnen. Das folgt dem Prinzip, dass intelligente Entscheidungen oder intelligent aussehendes Verhalten das Ergebnis komplexer Systeme sein kann, die aus nicht intelligenten einzelnen Mitglieder bestehen oder unabhängig von deren Intelligenz erfolgen. Schließlich handeln viele Köpfe gemeinsam in aller Regel klüger als ein einziger Kopf.

Schauen wir uns also mal an, wie Schwarmintelligenz im wirklichen Leben funktioniert. Das aufstrebende Gebiet der Schwarmintelligenz untersucht also die Verhaltensmodelle sozialer Kolonien und wie sie sich schnell und koordiniert bewegen können. So verwenden Bienen beispielsweise Hochgeschwindigkeitsvibrationen und Vögel können Bewegungen erkennen, die sich durch die gesamte Schar ausbreiten.

Wenn wir besser verstehen wollen, wie Schwarmintelligenz im realen Leben funktioniert, sollten wir zwei Hauptprinzipien näher betrachten. Diese sind zum einen die Selbstorganisation und zum anderen die Stigmergie. Im Grunde muss jedes Mitglied der Gruppe ein einfaches Regelwerk befolgen, welches zur Selbstorganisation und Selbstständigkeit führt. Aber bereits eine kleine Änderung durch ein Gruppenmitglied kann bewirken, dass sich andere Mitglieder anders verhalten, was zu einem neuen Verhaltensmuster führt. Dies ist ein Vorgang, welcher als Stigmergie bezeichnet wird. Stigmergie wurde zunächst in der Natur beobachtet. So kommunizieren Ameisen beispielsweise bei der Futtersuche indirekt miteinander, indem sie entlang ihrer Wege Pheromone hinterlassen. Insofern ist eine Ameisenkolonie ein stigmergisches System.

Die Frage ist, wie kann dieses Konzept auf Menschen angewendet werden? Wir haben mittlerweile schnelles Internet, welches uns zu jeder Tageszeit mit jedem von überall aus und überall hin auf der Welt verbindet. Mit einer ausgefeilten Technologie können wir diese Verbindungen in Echtzeitsysteme mit Closed-Loop-Feedback zwischen den Beteiligten umwandeln. Unter Closed-Loop-Feedback versteht man die Beantwortung von Kundenbefragungen, um das Feedback besser zu verstehen, den Schmerzpunkt zu beheben oder den Kunden wissen zu lassen, dass seine Erkenntnisse zur Verbesserung des Produkts, der Dienstleistung oder der Kundenerfahrungsstrategie genutzt werden. Dabei handelt es sich um Schwarmintelligenz in höchstem Maße.

Wie funktionieren also Schwarmintelligenzsysteme? Bioinspiriertes Computing ist eine Forschungsmethode, wobei Probleme mithilfe von Computermodellen gelöst werden sollen, die auf den Prinzipien der Biologie und der ursprünglichen und natürlichen Welt basieren. Bio-Inspired Computing (Biologically Inspired Computing) ist ein Studiengebiet, wobei versucht wird, Probleme der Informatik mithilfe von Modellen der Biologie zu lösen. Es bezieht sich im Wesentlichen auf Konnektionismus, sozialem Verhalten und Emergenz. Innerhalb der Informatik steht bioinspiriertes Computing in engem Bezug mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Bioinspiriertes Computing ist ein wesentlicher Teilbereich des natürlichen Rechnens. Bei der Entwicklung von Schwarmintelligenzsystemen kann bioinspiriertes Computing als dreistufiger Prozess zusammengefasst werden:

  1. Identifizierung von Analogien zwischen Schwarmbiologie und IT-Systemen
  2. Verständnis und Entwicklung eines Computermodells zur Abbildung realistischer Schwarmbiologie
  3. Anpassung biologischer Mechanismen für IT-Anwendungen

Diese drei Schritte lassen sich möglicherweise am einfachsten erklären, wenn man sich anschaut, wie Schwarmintelligenz auf den Bereich des Wissensgebiets der Roboter und ihrer Technik (Robotik) angewendet wird. Wissenschaftler beobachten zu aller erst einmal die Natur und versuchen das Gelernte dann auf Maschinen anzuwenden. Die einzelnen Geräte, aus denen der Roboterschwarm besteht, sind jeweils mit Kameras, Radarsystemen, Sonaren oder anderen Sensoren ausgestattet, welche ständig Informationen über die Umgebung sammeln. Wenn nun eines dieser agentenbasierte Schwarmgeräte die gesammelten Informationen mit den anderen Geräten in der Gruppe teilt, ermöglicht dies den einzelnen Geräten, als Gruppe zu fungieren.

Es gibt sie aber nicht nur in der Theorie, sondern es gibt eine Vielzahl von realen Anwendungen von Schwarmintelligenz. Wissenschaftler haben das Stadium der Theorie längst überschritten und ihre Forschungen zeigen große Fortschritte auf dem Gebiet der Schwarmintelligenz. So beispielsweise im militärischen Bereich bei besonderen Militäroperationen. Wenn Such- und Rettungseinsätzen in zerstörten Gebieten stattfinden, werden mittlerweile schon winzige, drohnenähnliche Kameras so programmiert und eingestellt, dass sie als eine Einheit mit höchster Effektivität zusammenarbeiten, um hochsensible Aufgaben wie die Suche nach Überlebenden an gefährlichen Orten auszuführen. Auch im Personalwesen und bei der Rekrutierung spielt Schwarmintelligenz häufig eine wichtige Rolle. Bei der Rekrutierung von Mitarbeitern folgen Unternehmen den Prinzipien von Insekten bei der Nahrungssuche. Gruppenrekrutierung ist jeweils in den Bereichen effektiv, wo der Wettbewerb gering und der Arbeitsmarkt nicht allzu groß ist. Mit einer solchen Massenrekrutierungsstrategie können Unternehmen die besten Talente finden und einstellen, noch bevor andere Wettbewerber auftauchen und das Lohnniveau erhöhen. Ein weiteres Beispiel ist der Telekommunikationssektor. Bevor Anrufe ihr endgültiges Ziel erreichen, durchlaufen sie eine Vielzahl von Zwischenknoten, was in einer Überlastung enden kann. Durch die intelligente Anwendung von digitalen Ameisen, die über die nicht überlasteten Netzwerke gesendet werden können, kann der Datenverkehr in den Telekommunikationszentren über andere Wege umgeleitet werden, wodurch effektiv Verzögerungen vermieden werden können. Für jedes Unternehmen, das seinen Wettbewerbsvorteil sichern möchte, ist die sich verändernde Dynamik dieses aufstrebenden Bereichs der Schwarmintelligenz äußerst entscheidend, um ein Unternehmen wettbewerbsfähig am Markt zu halten.

Teil 2 folgt